Anhand bereits im Betrieb befindlicher Flutpolder haben sich die Mitglieder des „Bündnisses Hochwasserschutz für unsere Heimat“ bei einer zweitägigen Fachexkursion über drängende Fragen zur Planung, Ausführung und vor allem Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Landwirtshaft informiert.
Ein zentraler Teil des „Hochwasserschutz Aktionsprogramms Schwäbische Donau“ ist der vorgesehene Bau von drei gesteuerten und sechs ungesteuerten Retentionsräumen im Bereich der Schwäbischen Donau. Mit „Neugeschüttwörth II“ und „Helmeringen“ sind zwei Flutpolder im Landkreis Dillingen, der dritte bei Leiphiem geplant. Da bisher keine Flutpolder oder größere ungesteuerte Retentionsräume im Landkreis Dillingen existieren, liegen auch keine Erfahrungen hinsichtlich Planung, Bau und Einsatz vor.
Deshalb führte die zweitägige Fahrt Landrat Leo Schrell, MdL Georg Winter und die im Landkreis von den derzeitigen Planungen zur Umsetzung des „Hochwasserschutz Aktionsprogramms Schwäbische Donau“ betroffenen Bürgermeister nach Sachsen-Anhalt.
Dort informierten sich die Bündnismitglieder vor Ort über die Hochwassersituation und die geplanten und realisierten technischen Hochwasserschutzmaßnahmen. Wertvoll waren dabei die Erfahrungen der Betroffenen vor Ort im direkten Dialog kennen zu lernen. Wichtigstes Anliegen war den Bündnismitgliedern der Austausch mit Vertretern der Kommunen, Landwirten und weiteren Betroffenen.
Am ersten Tag stand zunächst der im Landkreis Anhalt-Bitterfeld derzeit im Bau befindliche Flutpolder Rösa an der Elbe auf dem Programm. Dieser Flutpolder besitzt ca. 20 Mio m³ Retentionsvolumen auf etwa 520 ha Fläche. Während einer mehr als zweistündigen Diskussionsrunde mit verschiedenen Experten aus der Region ging der Landrat des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, Uwe Schulze, auf die Hintergründe des Vorhabens ein und erläuterte die katastrophalen Auswirkungen der großen Hochwasser an Elbe und Mulde 2002 und 2013 auf die gesamte Region. Frank Beisitzer vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) ging anschließend auf das durchgeführte Planfeststellungsverfahren und die wesentlichen Konflikte ein. Thomas Matold (Agrarproduktion Rösa) stellte seine Sicht als unmittelbar betroffener Landwirt dar und schilderte anschaulich die Schwierigkeiten und Probleme aus seiner Sicht. Er betonte auch, dass im Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens klare Entschädigungsregeln vereinbart wurden und damit die Akzeptanz des nach seiner Meinung erforderlichen Hochwasserschutzbauwerkes erreicht werden konnte. Katrin Hope ergänzte als Ortsbürgermeisterin der Gemeinde Rösa und Brösa die im Laufe des Bauvorhabens erreichten unmittelbaren Verbesserungen für die betroffenen Ortschaften, die u.a. im Rahmen der notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen realisiert wurden. Eine abschließende Besichtigung der Baustelle verschaffte den bayerischen Besuchern einen zusätzlichen Eindruck vor Ort.
Der darauffolgende Tag führte die Exkursionsteilnehmer des Bündnisses an die Untere Havel. Dort besteht seit den 1950er Jahren das größte Flutpoldersystem Deutschlands, welches in der Lage ist, bis zu 280 Mio m³ Hochwasser der Elbe bei einem extremen Hochwasserereignis im Havelschlauch und insgesamt sechs Flutpoldern zurück zu halten. An der Wehrgruppe Neuwerben erläuterte Marco Schirmer vom LHW die geschichtliche Entwicklung und Funktionsweise des technischen Systems. Er führte aus, dass die Flutpolder knapp 50 Jahre nach ihrer Fertigstellung 2002 erstmals geflutet wurden. Aus diesen Erfahrungen resultierend, wurden in den Folgejahren Anpassungen an den baulichen Anlagen vorgenommen, die zukünftig insbesondere die schnelle Entleerung der Flutpolder sicherstellen sollen. Er stellte klar, dass die Entscheidung zur Flutung nicht von der Wasserwirtschaft getroffen, sondern nach den Regelungen eines Staatsvertrages zwischen den Bundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Bund getroffen werden. Dort sind auch die Entschädigungsfragen im Detail aufgeführt. Nach seinem Vortrag besichtigen die Gäste das Wehr Neuwerben sowie den Polder Trübengraben und das Schöpfwerk Jederitz.
Im Rathaus der Stadt Havelberg begrüßte Bürgermeister Werner Poloski die Bündnisteilnehmer und informierte in seinem Vortrag über die großen Hochwasserereignisse der Elbe 2002 und 2013 und ihre Auswirkungen auf die Stadt Havelberg. Darauf aufbauend ging Jörg Hellmuth, langjähriger Landrat des Landkreises Stendal und ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages auf den Umgang der Region mit der Hochwassergefahr ein. Er illustrierte anschaulich, dass in der Hochwasserkatastrophe auch eine Chance für einen verbesserten zukünftigen Umgang mit der Naturgefahr liegt. In der anschließenden Diskussion standen wiederum Fragen nach Auswirkungen von Flutungen der Polder auf die betroffenen Flächen und Entschädigungsregelungen im Zentrum des Interesses. Horst Blum konnte darauf als Leiter des Amtes für Landwirtschaft in Stendal antworten und aus erster Hand über konkrete Fälle berichten. Marko Oelze und Phillip Meyer vom Landesumweltamt Brandenburg ergänzten aus Sicht des Landes Brandenburg, so dass die bayerischen Gäste einen umfassenden Eindruck dieser komplexen Problematik gewinnen konnten.
„Es hat sich gelohnt“ – so die einhellige Einschätzung der Bündnismitglieder während ihrer Rückreise nach Bayern. Besonders hervorgehoben wurde dabei, dass die „richtigen“ Ansprechpartner und Experten vor Ort bereit waren, ausführlich und umfassend über ihre aktuellen Erfahrungen zu berichten und auch genügend Raum für Nachfragen bestand. Damit konnte das wesentliche Ziel der Fachexkursion, im Prozess der Wahrnehmung der Interessen der Region „auf Augenhöhe“ mit den bayerischen Fachbehörden zu agieren, erreicht werden, so Landrat Leo Schrell und MdL Georg Winter.
Die Fachexkursion wurde durch Prof. Dr. Robert Jüpner und sein Team der Uniwasser GmbH vorbereitet und durchgeführt – mit Unterstützung durch viele Institutionen und Organisationen vor Ort, insbesondere dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt.
Das „Bündnis Hochwasserschutz für unsere Heimat“ unternahm eine zweitägige Fachexkursion nach Sachsen-Anhalt.
Im Bild von links: Bürgermeister Gerrit Maneth (Höchstädt), 2. Bürgermeister Viktor Merenda (Gundelfingen), Bürgermeister Wolfgang Schenk (Lauingen), Bürgermeister Jürgen Frank (Blindheim), Landrat Leo Schrell, MdL Georg Winter, Bürgermeister Hans Kaltner (Buttenwiesen), Bürgermeister Reinhold Schilling (Schwenningen), Bürgermeister Willy Lehmeier (Wertingen) und 3. Bürgermeister Walter Fuchsluger (Dillingen).
Dillingen a.d.Donau, 8. Mai 2018
Peter Hurler, Pressesprecher
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