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Tag des offenen Denkmals 2021

Für den diesjährigen Tag des offenen Denkmals am Sonntag, den 12.September 2021, wurde vom Koordinator der Veranstaltungsreihe, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, das Motto „Sein und Schein“ - in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege gewählt, um weitere Aspekte von Denkmalen zum Vorschein zu bringen.

Sein und Schein ist ein Spiel mit unseren Sinnen, das fast jedem bekannt sein dürfte. Sei es der Blick in die Ferne, der bei Föhn alles näher erscheinen lässt – da scheinen dann auch schon mal von unserem Landkreis aus die Berge zum Greifen nahe zu sein - oder der Blick auf ein Bild, das uns durch seine Komposition eine Tiefe, also eine dritte Dimension vermittelt, die wegen der Zweidimensionalität des Bildes gar nicht vorhanden sein dürfte.

Mit dem diesjährigen Motto „Sein und Schein“ für den Tag des offenen Denkmals soll nicht nur die Handwerkskunst der Illusion in den Mittelpunkt gerückt werden. Es soll auch gezeigt werden, dass es an vielen Baudenkmalen überdeckte historische Details zu entdecken gibt, die zum Beispiel bei einer Sanierung wiedergefunden werden. Im Gegenzug wiederum gibt es Gebäude, die den Eindruck eines Baudenkmals hinterlassen, aber neu nach dessen Vorbild errichtet wurden.

Auch mit modernen Techniken kann die Illusion bewirkt werden, dass ein Baudenkmal bzw. Teile seiner Ausstattung wieder erlebbar werden.

Fast täglich sind wir von retuschierten Bildern, also von nachbearbeiteten Bildern, in der Werbung, in Illustrierten oder im Internet umgeben. Jedoch ist der heute verwendete Einsatz des „Scheins“ nicht neu. Bereits in der Antike erfreuten sich die Menschen an der Illusion in der Malerei. Im Barock wurden Decken, Fenster, und Fassaden „vorgetäuscht“. Mit Hilfe von Spiegeln und Illusionsmalereien erscheinen Säle, wie z.B. in Herrenchiemsee, größer und schöner. Diese architektonischen Sinnestäuschungen sind nicht nur bei Schlössern vor allem der Barockzeit zu finden, sondern auch in Kirchen und spiegeln die damals herrschenden Machtgefüge und das religiöse Denken wider.

Gerade unsere wunderbaren barocken Kirchen im Landkreis und der Stadt Dillingen sind reich mit Wand- und Deckenmalereien ausgestattet. Mit den dort vorzufindenden dargestellten offenen Himmelsgewölben sollten die Gläubigen näher zu Gott gebracht werden.

Nicht nur Symbolkraft und die Verherrlichung der meist adeligen Bauherren war der Initiator für Sinnestäuschungen und damit Schein, sondern auch die Notwendigkeit der Senkung der Baukosten, daher finden wir in unseren Kirchen oft Stuckmarmor an den Säulen und Altären vor, der mit verschiedenen Techniken die Beschaffenheit echten Marmors nachahmt.

Jedoch nicht nur die Handwerkskunst der Illusion kann einen Schein hervorzaubern, sondern auch Baudenkmale, die heute als solches nicht mehr erkennbar erscheinen, können wahre Schätze beherbergen. An Wänden, die in heutiger Zeit mit einem weißen Anstrich versehen sind, können farbige Wandmalereien verborgen sein, die erst nach einer fachgerechten Befunduntersuchung und Freilegung zu Tage treten, wie dies auch bei mehreren Gebäuden im Landkreis der Fall ist.

Ebenso können sich unter modern anmutenden Decken der 70er Jahre noch Stuckdecken verstecken, da mit der neuen Decke nicht nur versucht wurde, den aktuellen Zeitgeist einzufangen, sondern mit dieser auch die vorhandene Raumhöhe auf eine heutige Normalhöhe reduziert wurde.

Mit dem Motto „Sein und Schein“ kann man sich nicht nur mit den Themen Konservieren und Restaurieren beschäftigen, sondern auch mit dem Thema Rekonstruieren. Der Umgang mit originaler oder verloren gegangener Substanz an und in historischen Bauwerken sorgt für eine lebendige Diskussion in der Denkmalpflege. Soll Verlorengegangenes rekonstruiert und damit die Baudenkmale ergänzt werden oder gar ein verloren gegangenes Baudenkmal wiederhergestellt werden oder soll die Zeitgeschichte mit ihren Verlusten sichtbar belassen werden?

Eines der bekanntesten Beispiele einer Teilrekonstruktion in unserem Landkreis ist der Faiminger Apollo-Grannus-Tempel. Bei Grabungen wurden eine doppelte Säulenhalle und ein Podiumstempel mit Vorhalle und Rampe freigelegt. Nachdem die Grundrisse des Tempelheiligtums in seiner Ausdehnung erfasst waren, konnte man den Aufriss zur besseren Anschaulichkeit eines römischen Tempelbezirkes rekonstruieren, der heute eine bedeutende Sehenswürdigkeit darstellt.

Moderne Techniken werden mittlerweile auch in der Denkmalpflege in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Zum einen bieten computergestützte Aufnahmen eines Baudenkmals die Möglichkeit, dieses besser untersuchen und begreifen zu können und damit dessen Erhalt besser koordinieren zu können. Zum anderen können nicht mehr existente Baudenkmale auf Grundlage von Zeichnungen, Plänen usw. erfasst und als 3D-Modelle rekonstruiert werden, um einmal bestandene bauliche Zustände wieder erlebbar zu machen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, per Computer frühere Ausbauten in Räumen visuell darzustellen und virtuelle Rundgänge durch Gebäude per Smartphone, Tablet oder VR Brille durchzuführen.

Doch um für Rekonstruktionen und moderne Techniken die Grundlagen in Form von Zeitzeugen zu haben, und damit die Handwerkstechniken der Illusion sichtbar bleiben und weitergegeben werden können, müssen Denkmale in ihrer Substanz gepflegt und erhalten werden, denn sie sind für uns Wissensspeicher, Geschichtszeugen und Lernorte.

Wie letztes Jahr besteht die Möglichkeit, unter www.tag-des-offenen-denkmals.de online an Veranstaltungen teil zu nehmen.

 

Dillingen a.d.Donau, 07. September 2021
Peter Hurler, Pressesprecher